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Seit Tagen verfolge ich - wie viele andere auch - die Diskussion um Helene Hegemann, wahllos in der Reihenfolge via Die Dschungel, Gregor Keuschnig; Deef (inkl. Diskussionen, versteht sich, inkl. Verweise auf Rezensionen etc. - bei allen) und natürlich via FM4.

Bitte fragt mich daher nicht, wie ich letztendlich hier genau gelandet bin, irgendwo war es halt verlinkt, das "Küchenradio".

Und nachdem ich diese Sendung gehört hatte, waren alle Diskussionen über "Plagiat oder nicht", für mich nicht mehr relevant und wie bei mir üblich sehr spät aber doch, ist mir dieses Thema ein paar Zeilen wert, plötzlich hat es mich nämlich ganz emotional gepackt.

Nach diesem Interview, das ich hörenswert finde - nicht nur im Hintergrund der aktuellen Diskussion - stelle ich mir die Frage nicht mehr ob "naiv" oder "Betrügerin".
Ich habe weder Ihren Film gesehen, noch ihr Buch gelesen (auch "Strobo" von Aien nicht) - vielleicht mache ich das noch, irgendwann im nächsten längeren Urlaub - eher nicht. Nach allem, was ich bisher so gelesen habe, würde mich wenn, dann "Strobo" interessieren und nicht ""Axolotl Roadkill", aber was dieses Mädl (diese junge Frau) treibt, liegt für mich nach genau diesem Interview auf der Hand: Zu einer "Familie" zu gehören. Da liest man dann auch lieber Adorno als in die Schule zu gehen (zweiteres ist nicht so selten und ersteres selbstverständlich, wenn es Nähe "familiärer" Art schafft bei dieser Biografie erst recht).

Man höre doch bitte den Podcast - nicht nur, aber vor allem ab Minute 00.57.39 - "Ich habe mein Leben lang gelogen". Ein Kind, das es immer gelernt hat, alles zu tun, um "dazu zu gehören", sich zu verstellen um Teil einer Gruppe zu sein, auch da schon, als es diese Gruppe noch nicht mal "cool" fand, was wird es tun, wenn es mal auf Menschen trifft, von denen es wirklich beeindruckt ist?

Man verzeihe mir hier bitte meine "Trivialpsychologie", die sich an einer einzigen gehörten Stunde aufhängt, ich werde hier auch sicher nicht über ihr literarisches Talent urteilen, aber in meinen Augen ist dieses Mädl weder naiv, noch abgebrüht, sie ist ein sehr intelligentes und für mich beeindruckendes und verdammt nochmal höchst sympathisches Produkt seiner Vergangenheit.

Kurz: Ich werde weiterhin alle Metadisussionen zu dieser "Affäre" mit Interesse verfolgen, aber die immer wieder gelesenen Verurteilungen der Person, werden mich ab sofort auf die Palme bringen - und: JA, das hat durchaus auch etwas mit ihrem Alter zu tun. 17 - ich bitte Euch, was haben wir denn mit 17 alles so aufgeführt? Wie "wahrhaftig" waren wir denn?

Wollte ich halt auch mal gesagt haben ...
testsiegerin meinte am 17. Feb, 00:01:
Also ich hab mit dem Scheiß, den ich gebaut hab, kein Geld verdient ;-)

Mir ist schon klar, dass die junge Dame irgendwie auch "Opfer" der Umgebung ist, in der sie lebt. Ich vermute mal, in so einer Familie muss man besonderes leisten, um überhaupt wahrgenommen werden. Da reicht es nicht, einfach so zu sein, wie man ist. Was schwer genug ist, weil man in dem Alter meistens eh nicht wirklich weiß, wer man ist.

Aber gleichzeitig denke ich, dass man in dem Alter auch Verantwortung übernehmen muss für Dinge, die man tut.

Trotzdem wünsche ich ihr nichts Böses. Vielleicht war ihr das ja eine Lehre. 
june antwortete am 17. Feb, 19:02:
Liebe testsiegerin,
ja, stimmt, ich hab mit dem Scheiß, den ich gebaut hab, auch kein Geld verdient, aber "geklaut" hab ich ohne Ende - Gesten, Sprüche, Kleidungsstile, Tanzstile, ... ja irgendwann sogar mal eine Handschrift. Sie nicht?
In meiner Teenagerzeit waren wir alle irgendwann ein Sammelsurium von Plagiaten.

sis hat das weiter unten noch einmal besser beschrieben.

Klar war das jeder und jedem peinlich, wenn wer mal durchschaute, woher ein bestimmter toller Ausdruck, Satz oder was auch immer kam, man wollte ja den Eindruck erwecken, das wäre alles auf dem eigenen Mist gewachsen. "Identität" war ein Sammelsurium an rundherum angeeignetem um "dazu zu gehören", Teil einer Gruppe zu sein,

Ich hatte halt niemanden im Hintergrund, der das in eine breitere Öffentlichkeit getragen hat und damit war es dann höchstens die beste Freundin oder Lieblingsfeindin, die ankam mit "HA! Ich weiß aber, woher du das hast, damit brauchst dich gar nicht wichtig machen."
Und damit klar zu kommen, mit dieser "Entlarvung" das war die Konsequenz, die ich tragen musste.

Nebstbei gesagt: Ich ertappe mich heute noch dabei, dass sich mein Schreibstil ändert, wenn ich ein Buch lese, das mich besonders hinein zieht oder ein Blog. Das ist zwar nicht vergleichbar mit dem, worum es hier geht, aber spannend finde ich das immer wieder - und ich hab halt doch schon einige Jährchen mehr auf dem Buckel. :) 
Gregor Keuschnig meinte am 17. Feb, 08:04:
Sie gehen davon aus, dass AR ein authentisches Buch ist und das arme Kind nicht weiss, was es da getrieben hat. Das genau zweifle ich stark an. Das ist alles sehr berechnend. Auch dieses familiäre zu desavouieren, zu beschimpfen und damit gerade zu suggerieren, dass man das gerne hätte - das ist alles derart platt vorgebracht, dass es mich anödet.

"Linksresignative Kulturszenescheiße" heißt es einmal im Buch. Das trifft als Selbstcharakterisierung - vor allem dieses Buches - ziemlich genau. Wenn es etwas gibt, was dieses Buch auszeichnet, ist es diese gelegentlich aufblitzende Selbstironie, die jedoch ziemlich altklug rüberkommt und auch zu gewollt vorgetragen wird. 
june antwortete am 17. Feb, 19:07:
@ Gregor Keuschnig
Die Frage stellt sich mir eben: "Wie authentisch kann man als Teenager überhaupt sein?" Mehr zum "Abkupfern" weiter oben und weiter unten.
Es muss sie nicht interessieren, warum auch? Hochgejubelt haben das Buch andere.

Wie gesagt: Ich hab das Buch nicht gelesen, den Film nicht gesehen, nur das oben verlinkte Interview gehört. Ich halte sie für ein sehr gescheites Mädl, die aber natürlich da und dort was aufschnappt, übernimmt, sich mit "fremden Federn" schmückt, die manchen gefallen, anderen halt nicht. Wird sich legen und mal sehen, was dann dabei heraus kommt. 
Sturznest meinte am 17. Feb, 13:20:
Ein sehr angenehmer Bericht, der eine Siebzehnjährige immerhin noch das Recht läßt zu leben, während die etwas Älteren unter den Herren eine scheinbare Freude darin haben uns jeden Tag zu erzählen wie grauenvoll diese junge Frau ist und wehe man fragt, zum Beispiel, was hat Ihnen diese junge Frau eigentlich getan? 
june antwortete am 17. Feb, 19:07:
:) 
synopsis meinte am 17. Feb, 14:15:
...
war ja in frühen kindertagen höchst ambitioniert. zu schreiben. dingen raum zu geben, zu reflektieren. nachzudenken. sich gut fühlen, vielleicht sogar besser aufgrund des geschriebenen, das abhebt, abgrenzt, aufwühlt von der masse.
als ich mich im zarten alter von 13 dabei ertappte, prägende zeilen aus "bonjour tristesse" inmitten meiner eigenen wiederzufinden, beschloss ich, nie wieder etwas zu schreiben, das ich nicht selbst "erfunden" hätte...
irgendwann hörte ich aus protest überhaupt zu schreiben auf: jedes wort wäre doch schon millionenfach geschrieben worden!!!!
später mahnte mich ein freund, ein herausgeber, dass nichts je nicht schon gesagt und - nichts je nicht bereits erlebt wäre. wir alle wären summe des erlebten, des erlesenen. nichts wäre je erstmalig. mag sein für pupertierende, nicht aber für die menschheit, ergo die leserschaft. allerdings mache die auswahl! der zu wiederholenden geschehnisse, bilder und wortgebinde es aus, uns von der masse abzuheben, erfolgreich zu sein.
das! hat H.H. wohl geschafft. kann das nur leider nicht beurteilen, habe sie nicht gelesen, bislang. mußte nur über den "fall" schmunzeln, da ich doch weiß, wie verlockend es ist, sich anderer menschen wort- und/oder gedankengut zu bemächtigen, in die/das man selbst einst eingetaucht. oder unter. in H´s fall wohl - auf!
weiß nicht, was ich davon halten soll... wollte einfach senf dazu geben. ungefragt.

andere frage:
hat june nie angst um ihre texte?
den einen oder anderen würde ich allzugerne mein eigen nennen! :-)))
(ein video hab ich kürzlich geklaut, frauengold *lach*) auch das ungefragt!

love, sis 
Sturznest antwortete am 17. Feb, 14:23:
ich würde ihren gerne klauen, ich glaub ich mach das einfach :-) 
june antwortete am 17. Feb, 18:47:
Liebe Sis! :)
Ach ist das schön, dich wieder zu lesen.

Ich, Angst um meine Texte? Geh wo, wer sich hier bedient ist selber schuld, mich freut das sogar, wenn hier geklaut wird. :)

Ansonsten teile ich eben so ähnliche Erfahrungen, wie du sie oben beschreibst. Die wollte ich heute Morgen schon testsiegerin schreiben, ich bin aber bisher nicht dazu gekommen. 
skinunder (Gast) antwortete am 19. Feb, 12:48:
Booaaahhh !!
F.W.Bernstein ( einige schreiben es auch dem verehrten Robert Gernhardt zu ) formulierte einmal :
Die meisten Kritiker der Elche
- wären gern selber welche

Ich habe das Buch nicht gelesen, sondern bin einfach einigen Links gefolgt.
Was mich bestürzt, ist die mangelnde Bereitschaft so einiger, sich auch nur
in die Nähe eines Verhaltens zu begeben, das fürsorgliche Aspekte
berücksichtigt.
Dafür ist die Bereitschaft, draufzuhauen um so größer.
Nun könnte man der atavistischen Spur folgen, aber mir drängt sich eher der
Verdacht auf - wenn ich mir einige herum(g)eifernde, womöglich im elaborierten Sprachcode, Äußerungen einiger Leute ( täusche ich mich, oder sinds tatsächlich nur Männer ? ) ansehe, daß man nur neidisch ist, so etwas Ungeheuerliches in der eigenen Jugend nicht gebracht zu haben ?

17jährige tritt die Tür des Literaturelfenbeinturms ein, einem der größten seiner Art, worin es überheblicher und angeberischer als sonstwo zugeht, mit der MP in jeder Hand eine Salve in der Lobby abfeuernd, und keck verkündend : Hier bin ich !!!
Booaaahhhh. Und auf einen einen solchen Auftritt will keiner neidisch sein, häh ?


Über das Kopieren haben sich June und Sis, die wissen, wovon sie reden, bereits grundlegend geäußert. Meine 12jährige Tochter macht noch heute etwas, was früher zu meiner Zeit Collagen genannt wurde, und zwar wo ? In der Schule im Kunstunterricht....
Das muß man mal im Gehirnkasten von Zelle zu Zelle reichen !

Meine Tochter kann über das Alte-Herren-Getröte nur müde grinsen - wenn es sie denn interessieren würde. Wer sind die denn schon ? Haben keine Ahnung von unseren Problemen heutzutage usw usw.

Meine Tochter ist sowas von kühl nach ihrem Vorteil kalkulierend, daß ich mich ruhig zurücklehne und schmunzle, daß die sich später in der Welt der Gernegroße und WICHTIGWICHTIG-Leute sich schon behaupten wird.
Achtung ! Für die vorausbückenden Bedenkenträger und den Möchtegerndiktatoren (sprich Amtsinhabern der besch..... political correctness) : das war ein Witz.


Aber unsere Kinder lernen und tun das, was wir ihnen vorleben. Dieser Helmut Kohl müßte schon seit Jahren in Erzwingungshaft sitzen; ein Roland Koch ist trotz Belügen des Parlaments und Fälschung eines Bundeslandeshaushalts sogar noch im Amt; Wolfgang Clement wechselte in den AR eines Konzerns, der in die Zuständigkeit seines Ministeriums fiel; ein Friedrich Merz durfte sich ungestraft mit einem ( tollen ! ) dreistufigen Steuermodell brüsten, das definitiv nicht seine, sondern Herr Uldalls
Erfindung war.

Von der ganzen Raubkopiererkriminalisierung habe ich nur begriffen, daß es
Organisationensformen gibt, die den aufstrebenden Musikern ihre Rechte abpressen, und dann als sog. Rechteverwerter angeblich die Künstler vertreten, und dann auch noch ohne Scham in deren Namen auftreten, sogar Regierungen für ihre kreuzzugsartige Hatz auf Internetunbedarfte instrumentalisieren, jeden Normalbürger mir ihrem Müll belästigen, und es in Wahrheit nur um eins geht : Gaaanz viel Geld, das sie haben
wollen.
( Ich bin sehr wohl für Urheberrechte, aber eben auf gar keinen Fall in dieser pervertierten Form )

Daß das bestialisch stinkt, und bei korrekt angewendeter Rechtsprechung in Wahrheit illegal ist - geschenkt.
In der heutigen Popkulturszene wird schamlos geklaut, und da gibt es remixende DJ´s, die damit zT viel Geld verdienen.
In der "richtigen" Kunst, der klassischen Musik, ist immer von der "Einflüssen" anderer Komponisten die Rede, in der Welt der Cineasten von Zitaten, die Liste ist lang.


Wie soll ein 17jähriges Mädchen etwas von etwaigen Grenzen wissen, wenn die tägliche Erfahrung in der Medienwelt gegenteilig ist ? Die weiß vielleicht nur, daß heutzutage jeder besch.... und mogelt und flunkert und frech lügt.
Die Entwicklung welcher Art von Rechtsverständnis darf man da erwarten ?

Die Gesellschaft ist vielleicht verkommen, die Moral auf jeden Fall, der Anstand ( zB Fehler zuzugeben ) sowieso, und das Recht wird nach Belieben gebeugt.

Das Mädchen hat in dem ihm möglichen Rahmen agiert, nicht wahr ?
Und das vielleicht nicht schlecht. Selbst der Blogger, der das öffentlich machte, und der beklaute Autor befanden die Arbeit der Autorin (? Schreiberin? Macherin? oder wie jetzt? ) für wirklich gut.
Wieso gehen die Ankläger nicht auf den Verlag ein, der bereits die ganze Zeit Geld verdient ?
Wieso fragen die nicht, ob der Verlag die Tantiemen nunmehr gerecht aufteilt, oder wie das jetzt geregelt werden soll? Können bzw sollten Lektoren überhaupt leisten, Plagiate zu verhindern ?

Und was für ein Mensch ist man wohl, derart auf eine 17jährige einzudreschen ?


Greetz


PS
Ich hoffe, die sehr verehrte June mag mir meine verspätete Meldung und den teilweise robusten Ausdruck verzeihen....

PPS
Wie witzig : das eben einzugebende Wort lautete : song ;-)