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in phasen wie diesen stößt mich all das ab, was "der seele schmeichelt".
ich ziehe mich zurück von allen freundInnen und zögere keine sekunde, habe ich die wahl zwischen "mulholland drive"* und "mathilde - eine große liebe"*.

und ich lese hass-bücher. so jetzt - seitdem ich es vor vielen vielen jahren überflogen und entsorgt habe - erneut camille paglia "die masken der sexualität"* und bin absolut positiv überrascht.
es erfüllt bis dato seinen zweck vollkommen - wozu auch gehört, dass ich nicht gerade bsonders schnell weiter komme, weil ich laufend damit beschäftigt bin, vor mich hin zu schimpfen, darin herum zu schmieren und den dreck in regelmäßigen abständen durchs zimmer zu schmeissen, was bei einer solchen schwarte mit hardcover einen wirklich überzeugenden effekt ergibt. man kann damit auch einiges umschmeissen, also so richtig wüten. :)

dass c.p. eine frau ist, erleichtert es ihr auch noch in meiner hierarchie der blitzableiterbücher aufzusteigen. gegenüber einem herrn freud oder herrn weininger hat sie hier tatsächlich enorme wettbewerbsvorteile.

einen satz habe ich einmal gehört, der so sehr passt: "manchmal beruhen die großen erkenntnisse von heute auf den fehleinschätzungen von gestern."

prost, frau paglia - schön, dass es sie gibt. :)

* bin zu faul links zu suchen, verweise hiermit auf google. ;)
albannikolaiherbst meinte am 20. Feb, 12:53:
Ich liebe.
Wie Sie wissen. Paglia. 
june antwortete am 20. Feb, 13:04:
ich weiß
dennoch baut diese dame ihre "thesen" auf teilweise wirklich haarsträubenden prämissen auf. wissenschaftlich absolut unlauter ist damit nur einer meiner vorwürfe an sie, allerdings einer der massivsten.

dazu kommt noch ihre angeblich "fundierte" kritik am feminismus, die maximal einen bornierten amerikanischen feminismus meint.

vielleicht überkommt es mich ja mal und ich widme ihr ein eigenes topic ... 
albannikolaiherbst antwortete am 20. Feb, 15:10:
Aus Irrtum sind mit die größten Kunstwerke entstanden.
Zum Beispiel alle geistliche Musik, die große sakrale Architektur, der religiöse, nämlich größte Teil der uns bekannten Malerei und - dieses Buch. Im übrigen ist die Wissenschaft selbst die Geschichte ihrer Irrtümer. 
june antwortete am 20. Feb, 15:16:
lieber alban,
ich habe derzeit weder die zeit noch die lust zu streiten. schon gar nicht einfach beispiele anzuführen.
fakt ist, dass die gute paglia einfach großteils auf haarsträubendem unsinn "aufbaut". was daran "kunst" sein soll, lass ich mir gerne erklären. 
albannikolaiherbst antwortete am 20. Feb, 16:08:
Das ganze Buch ist es.
Es ist von ungemeiner Fruchtbarkeit, wie Sie ja an meinem eigenen Werk sehen können. Es ist eine der ganz-großen Menschheitsleistungen der künstlerischen Interpretation, nahezu genial - ohne daß ich diesen Begriff mitstrapazieren möchte. Es hat etwas von der Grandiosität, mit der sich Karl Kraus in seinem großen Anti-Heine-Aufsatz wegen Heine geirrt hat. Jeder Kraussatz strotzt da von Kunst, ähnlich wie Goethes Auslassungen über barocke Architektur in der Italienischen Reise. Und d a s ist es, was schließlich trägt. Nicht, ob etwas faktisch wahr sei oder nicht. 
june antwortete am 20. Feb, 16:23:
gut, ich nehme hiermit zur kenntnis:
"die menschliche sexualität ist reine unbezähmbare natur und was natur ist, das bestimme ich" ist "kunst".

was sie aus paglia herauslesen ist ihre sache, das will ich ihnen auch nicht nehmen.
was sie jedoch vertritt - und das muss man ihr nicht unterstellen, das tritt deutlich zutage - ist eine mischung aus esoterischem mutterkult und absolut unoriginellem sich anbiedern an patriarchal-chauvinistischen ideologien, die nicht im entferntesten "neu" wären.

sie ist in ihren thesen und ihrem denken in etwa so revolutionär wie eva herman. 
tja antwortete am 20. Feb, 19:00:
die paglia
kannte ich bis vor ein paar monaten nicht. aber sie machte mir lust auf mehr

... 
june antwortete am 20. Feb, 19:13:
wenn du mir sagst, was an der kastrationsangst irgendwie neu und originell sein soll. *g*

btw: genau DAS ist so typisch paglia:
"Die Sexualität dem Feminismus zu überlassen ist so, als gäbe man seinen Hund in den Ferien zum Tierpräperator."

bezeichnet sich als "postfeministin", die angeblich schon "feministin war, bevor simone de beauvoirs buch als paperback erschienen ist" (hat sie genau so vor vielen jahren in einem club2 gesagt) und spricht von DEM feminismus. (von Heide Göttner-Abendroth bis Luce Irrigaray, Ursula Kubes-Hoffmann, ...???)
lachhaft - oder zum weinen. 
tja antwortete am 20. Feb, 20:32:
was neu ist,
was schön ist,
was wertvoll ist...

liegt immer im auge des betrachters. jeder hat eine ganz unterschiedliche zeit für das, was einem neu ist.
das, was für dich heute neu ist, ist für deinen nachbarn morgen erst neu, ist für den nächsten kalter kaffee...

mich ärgert es ehrlich gesagt, dieses neu immerzu als positiven maßstab für einen wert einzusetzen. du hast ihn in anführungsstriche gesetzt. aber mich stört es seit einiger zeit. wer diese begründung als universellen maßstab ausruft, hört sich in meinen augen momentan immerzu nach modehinterherstürmer und nach alles-besser-wisser und danach an, dass er stets darauf wartet, von anderen mit neuem, bestbemöglich unterhalten, gut versorgt zu werden. warum können wir nicht einfach jedem seine zeit geben? kinder müssen dann und dann sauber werden, menschen müssen dann und dann kinder bekommen, kunst muss dann so und so neu sein. warum denn? ich sehe, wenn ich durch die kulturen wandere, dass wir stets alles neu zu erfinden glauben und dabei war alles schon einmal da. bestenfalls ändern sich die anstriche, wird das gemeinsame kommunikationsvokabular neu gemischt, wird vergessen, wiederbelebt, scheinbar neu entdeckt... weißt du, was ich damit meine? ich denke, man sollte mit den produkten der menschen entspannter umgehenn und vor allem nicht voreilig verallgemeinern. alles, was wir äußern, ist immer subjektiv, ist einer veränderung unterworfen. dass, was uns heute neu erscheint, ist nur im moment neu. das verfallsdatum für alles ist kurz. ich denke, wenn man sich freuen, wenn man sich reiben will, findet man stets und ständig genügend möglichkeiten, das auf kosten eines oder mit einverständnis eines anderen zu tun. für mich das produktive entscheidend. ich ziehe aus allem das heraus, was mich weiter bringt, den rest ignoriere ich (wenn ich gut drauf bin... wenn das nicht der fall ist, sage ich auch mal: das ist aber nicht neu, was der arsch da macht...*grins*)
das hat alles rein gar nichts mit dir zu tun- das ist eine rein subjektive empfindung meinerseits. 
june antwortete am 20. Feb, 20:45:
da hast du mich falsch verstanden
per se stört es mich gar nicht, dass diese thesen bei paglia nicht neu sind, aber "den feminismus" verteufeln - völlig undifferenziert und dabei beharrlich auf prämissen aufbauen, die lange schon sehr gut hinterfragt wurden und dann hochgejubelt zu werden oder sich selbst hochzujubeln als POST-feministin, ohne dem auch nur annähernd respekt insofern zu zollen, dass man sich wenigstens einlässt auf diese denkansätze, sondern sie als karikaturen en passent liegen zu lassen, das ärgert mich einfach enorm.

sie ist wissenschaftlich gesehen unredlich und eine reine effekthascherin könnte frau kühl sagen. das wäre vermutlich auch der beste umgang damit, aber ich habe sie ja bewusst deshalb wieder hervorgekramt, um diesem zorn in mir eine ihm entsprechende nahrung zu geben.
letztendlich ärgere ich mich lieber über paglia als über strache oder winter. - gibt mir mehr. :) 
june antwortete am 20. Feb, 21:39:
ausführlicher erläutert, was ich meine ...
„Im übrigen ist die Wissenschaft selbst die Geschichte ihrer Irrtümer.“ - da gebe ich alban absolut recht!
ja. auch für feministische analytik und forschung gilt dies - einer richtung, die noch absolut in den kinderschuhen steckt und die verdammt viele irrwege hervorbrachte in ihrem jungen bestehen, aber all das dann einfach pauschal über bord zu werfen und wieder und immer wieder in dieselben alten kerben zu schlagen und nachzubeten, was wir ohnehin bis zum erbrechen kennen, kann die lösung nicht sein.

und es gab viele, verdammt viele tolle frauen, die gute und fundierte kritik an dem formulierten, auf das paglia da wieder zurückgreift. nicht einmal die ehrerbietung ernstzunehmender gegenargumente erweist sie ihnen.

sie fällt zurück in peinlichkeiten wie: „Die Entwicklung vom Erdenkult zum Himmelskult versetzt die Frau in die niedrigen Regionen. Ihre geheimnisvollen Fortpflanzungskräfte und die Ähnlichkeit der Rundungen ihrer Brüste, ihres Bauches und ihrer Hüften mit denen der Erde rückten sie früh ins Zentrum religiöser Symbolik.“

hey? guten morgen? das war zu einer zeit, in der zwar viehzucht bereits bekannt war (also durchaus auch bekannt war, dass ficken und nachkommen was miteinander zu tun haben) und andererseits die erde noch eine scheibe war. und dann sehe man sich mal um und frage sich wieviel mehr phallussymbole diese erde zu bieten hat als sanfte „weibliche“ hügelformationen?
ja, das ist ein sehr banales beispiel, aber so unglaublich bezeichnend.
und wieder sind wir bei der "weiblichen" natur und der "männlichen" kultur (wie originell) und ignorieren völlig jeden denkansatz, der diese angebliche „natur“ als ebensolches kulturprodukt entlarvt.

jegliche kreativität, sprache, logik etc., ist männlich. als wäre nicht x-fach schon aufgezeigt worden wieviel hier von frauen geleistet wurde (einsteins relativitätstheorie ist hier nur ein mickriges beispiel).
aber es waren ja schon in der steinzeit die männer, die die goßen jäger und erfinder waren.
dass auch hier eine derart klare aufgabentrennung zwischen den geschlechtern nicht belegbar ist, sind erkenntnisse, die ständig wieder geflissentlich „übersehen“ werden. nein, die werden nicht widerlegt, die werden schlichtweg nicht aufgegriffen.

dass auch nicht so klar ist, ob nicht gerade die frauen, die aufgrund von kinderaufzucht tatsächlich daheim blieben, während die anderen auf die jagd gingen eben die zeit hatten, gerätschaften zu entwickeln, wird völlig außer acht gelassen. aber nein, das waren allein die männer, die dem mammut auflauernd neueste waffen entwickelten, als wäre es nicht ebenso plausibel, dass die frau daheim sich rumspielt mit dem, was sie zur verfügung hat und dann sagt: „schau schatzi, während du weg warst hab ich ein bisschen herumgespielt und ich denke das wäre doch was für dich, wenn du dann wieder draußen bist in der gefährlichen wildnis.“

nö, kann nicht sein: erfindungen und technische errungenschaften sind männersache. punkt und aus. SIE braucht ja nichts zu tun zur identitätsfindung, sie IST ja qua gebärmutter und mond- /menstruationszyklus.

ja, eines stimmt: die schrift war männersache und diese domäe wurde gerade erst gestern von frauen „erobert“. und jetzt lasst sie ihre fehler machen und auch leute wie eben eine heide göttner-abendroth hervorbringen, die in ihren spekulationen nicht weniger abstrus sind als div. patriarchatsverteidiger. Ich bin froh über jede, die bereit ist, gegen den strich zu denken, bei weitem nicht jede ist derart platt.

ich plädiere nicht für eine „weibliche denkart“, die sich als feindlich gegenüber „der männlichen“ positioniert, sondern für eine, die den mut hat, neue wege einzuschlagen, lästig zu sein, quer zu liegen und eben alles zu hinterfragen, was uns seit jahrhunderten als „gegeben“, als „unumstößliches faktum“ verkauft wurde.
wie männer frauen sehen, einordnen, wie sie sich mit der geschlechterdifferenz arrangieren oder diese verarbeiten ist mittlerweile wirklic hinlänglich bekannt, hat seine berechtigung, nur ist nicht die einzige und unumstößliche wahrheit – als solche gehört sie von ihrem sockel gestoßen. das ist für mich feminismus und notwendig im sinne des gödelschen theorems, um es auch wieder ganz plakativ zu sagen.

und wenn eine daherkommt, die im namen des feminismus schreibt (auch wenn sie sich dann post- und später antifeministin nennt), dann mag sie zumindest die denkerinnen, die angeblich ja ihre wurzeln prägten entsprechend achten, dass sie ihnen zumindest eine fundierte replik gönnt.

ansonsten macht sie mich einfach das, was ich bin – sauer.

*hach hat das jetzt gut getan*