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traumland

"wie geht es dir heute?", fragt sie, diesmal in jeans und weissem t-shirt, als ich mich mit meinem kaffee zu ihr auf den tisch setze.

himmel hilf! geht es noch schwieriger, um diese uhrzeit?

stell dir vor, da ist ein fluss. ein ganz neuer, junger fluss, vielleicht sogar eher ein bach. ja, nimm einen gebirgsbach. so einen mit vielen großen steinen in seinem bett, an denen er sich stößt, die ihn strudeln lassen, all das zeugs eben. ein bach.

und stell dir vor, der bach trifft unvermutet auf eine mauer. groß und fest. und weil der bach ein bach ist, kann er nicht anders als die mauer treffen, mit voller wucht, mit seinem ganzen sein.

es dauert, bis die wirbel sich legen, die alles aufwühlen, auch den grund und sich das wasser langsam in einer trüben suppe beruhigt, der sand sich setzt.
hübsch ist er dann, der kleine, ruhige see - da vor der mauer - nur kein bach mehr und der frieden ist trügerisch.

wir wissen beide, was geschehen wird. er wird einen weg finden wieder zu fließen. keine mauer der welt ist auf dauer stark genug für einen kleinen bach.

sie gähnt, beovr sie noch einmal an ihrem kaffee nippt. "okay, okay, it's one of THOSE days."

mein gott, es ist sieben uhr früh!

"und was macht henry?

er beginnt ein neues leben.

????????

er läuft.

das schweigen dauert fünf augenblicke, dann erfüllt ihr schallendes lachen den raum.

der war gemein - aber gut!

ja, grinse ich. ich weiß.

als ich am nächsten morgen in die küche komme - nein, nicht komme, das klingt so nach aufrechtem gang, eher schlurfe, beinahe schon krieche, obwohl, das ist dann auch wieder übertrieben.

als ich also am nächsten tag in meiner üblichen schlaftrunkenen und morgenmuffeligen art in die küche komme, sitzt sie immer noch auf diesem tisch, barfuß in ihren jeans und dem schwarzen mohair-pulli, von dem sie immer noch sehr konzentriert die federn entfernt. also wäre genau hier die zeit stehen geblieben.

ich finde es sehr höflich von ihr, dass sie mich ignoriert, während ich mich mit dem wieder einmal verklemmten drehverschluss der espressomaschine abmühe. ich mag menschen - oder auch alle anderen wesen -, die meine garfield'sche "don't talk to me until I had my first cup of coffee"-ausstrahlung richtig zu deuten wissen.

dafür hat sie sich auch eine tasse verdient - und eine zigarette. und so sitzen wir einander gegenüber, sie auf dem tisch, ich auf der anrichte und lassen die füsse baumeln.

"also erzähl nochmal", durchbricht sie schließlich doch das schweigen, "du glaubst nicht an die schwerkraft, aber du glaubst an engel?".

na wenigstens ein thema, bei dem ich nicht denken muss, denke ich und unterdrücke ein gähnen.
"nein, ich glaube auch nicht an engel. ich glaube nicht an dinge, die einfach existieren, was würde das auch für einen sinn machen?
ich glaube nicht an häuser, autos, blumen, die schwerkraft, engel oder die tasse kaffee, an der ich mir gerade eben die finger verbrannt habe.

ich glaube an so dinge, wie frieden, das große glück. ich glaube an echte partnerschaft - nicht an seelenverwandtschaft, mit der ist es wie mit der schwerkraft, die spürt man einfach, wenn sie da ist.
ich könnte vielleicht auch an gott glauben, aber der interessiert mich ehrlich gesagt nicht."

"dann glaubst du also auch nicht an die liebe?"

"nein, ich glaube nicht an die liebe. nicht an die kleine liebe, oder die mittelgroße oder die eintagsliebe.
aber ich glaube an die große liebe und daran, dass man sie erkennt, wenn sie einem begegnet, einfach so, als hätte man sie immer schon gekannt."

"wie die schlafenden prinzessinnen im märchen?" grinst sie.

ja, vielleicht hat sie recht. vielleicht ist meine großmutter an allem schuld, denke ich, und springe von der anrichte. das hat sie nämlich immer gehasst, das sitzen auf der anrichte. das war nur zu weihnachten erlaubt, beim keksebacken, aber das ist eine andere geschichte.

[to be continued]

"du bist eine unheilbare romantikerin", grinst sie und zupft sich ein paar federn vom mohair-pulli, nachdem sie sich beinahe die ganze geschichte mehr oder weniger aufmerksam angehört hat. vielleicht auch weniger.

"möglich", zucke ich mit den schultern," eher unheilbar verliebt ins verliebtsein. vielleicht aber auch nur ein testosteronjunkie?"

"nicht wahr", kichert sie, "du glaubst nicht an die schwerkraft, aber neuerdings an hormone?"

ich öffne uns eine flasche rotwein. ihr meine glaubenssätze zu erklären, das wird wohl eine weile dauern.

[to be continued]

ist in diesem tresor da an der wand, einem ganz besonderen tresor, mit vier türen.
und ich finde keinen schlüssel mehr und jede ziffernkombination ist mir entfallen. panisch durchwühle ich alle ecken, winkel, taschen, schubladen, werde immer hektischer, immer nervöser.

"da drin", schreie ich dich an, "ist alles, was zählt".

zuletzt resigniere ich und lehne mich erschöpft neben dem tresor an die wand ...

es dauert einige sekunden, bis ich fähig bin zu erkennen, dass keine der vier türen verschlossen ist.

im traum plötzlich zu wissen, dass alles nur ein traum ist, erlaubt es dir einen mord zu begehen, amok zu laufen, ein blutbad anzurichten ...

und manchmal auch einfach nur einen menschen zu küssen.

das weiß ich, auch ohne die anklage zu kennen. keine wut, keine auflehnung, nur entsetzen und resignation.

sie werden uns lebendig begraben, in soetwas wie zwei fächern in sarggröße in einem, in die erde eingegrabenen, liegenden schrank. die trennwand zwischen den fächern reicht nicht bis zur schranktüre.
sie werden uns gefesselt in die fächer legen und ein fliegengitter darüber festnageln. sie werden die schranktüre schließen, die grube mit erde auffüllen und gras darüber pflanzen.

so, wie sie es immer machen.

das urteil ist hart aber gerecht. ich kenne nur die anklage nicht.

und ich weiß, ich werde nicht einmal deine hand halten können.

gemeinsam, du und ich, in aquarell.

ein oder zwei kinder als blasse striche und sonne und licht und raum und liebe. gelbe liebe, nicht rote, sonnengelbe liebe.

doch wärst du dann noch du? und ich noch ich?

wie leicht malt es sich doch, wenn man im rücken das leben spürt, in der hand einen eimer voll wasser.

das nicht ganz ausgelöffelte weichgekochte ei steht schon seit tagen wenige meter entfernt von dem bett, in dem ich schlafe, in der wohnung, die ich nicht kenne, von der ich aber weiß, dass ich da lebe. wie lange schon?

und da ist ein geräusch, das ich nicht kenne. ein ganz leises knacken, ein flattern, ein kaum wahrnehmbarer, leicht schmatzender aufschlag, dann wieder absoltue stille. viel später wieder. und wieder.

dann tageslicht und gerade schlüpft wieder ein vogel aus dem ei, breitet die nackten flügel aus und bricht sich an der wand das genick.

der eine, den ich retten konnte nach stunden, die ich auf der lauer lag, den habe ich verloren, als ich euch zusammen sah.