"Bin ich verliebt? - Ja, weil ich warte." Er, der Andere wartet nie. Manchmal möchte ich den Nicht-Wartenden spielen; ich versuche mich anderweitig zu beschäftigen, zu spät zu kommen; aber bei diesem Spiel verliere ich immer; was ich auch tue. (...)
Die fatale Identität des Liebenden ist nichts anderes als dieses ich bin der, der wartet.
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Ein Mandarin war in Liebe zu einer Kurtisane entbrannt. "Ich werde Euch angehören, sagt sie, wenn Ihr in meinem Garten unter meinem Fenster, auf einem Schemel sitzend hundert Nächste meiner harrend verbracht habt."
Aber in der neunundneunzigsten Nacht erhob sich der Mandarin, nahm seinen Schemel unter den Arm und machte sich davon.
Roland Barthes, "Fragmente einer Sprache der Liebe"
-> the waiting game - part I
june - am Samstag, 19. Februar 2005, 17:40 - Rubrik: absolute schwachstellen
oops meinte am 19. Feb, 17:51:
das nicht erwarten können ist süsser schmerzdas warten ist traurig, trostlos, öde
der gedanke an das was folgt aufregend, spannend, anregend
und wenn mensch nichts fühlt
dann ist es nur zeitverschwendung
alles gute
Barthes muss ich mir besorgen
june antwortete am 19. Feb, 22:44:
die zeit des wartens erwarten
das warten im sinne des sehnsüchtigen er-wartens ist wunderbar. vor-freude. es sich ausmalen, jedes detail, unruhig auf die uhr blicken, das telefon keinen augenblick aus den augen lassen, den posteingang immer im blick - und sei es nur aus dem augenwinkel.der moment, in dem bewusst wird, dass das erwarten zum lähmenden warten wird, kippt alles ins gegenteil. warten auf einen augenblick, von dem plötzlich die ahnung sich breit macht, dass er nicht eintritt, wenn die gewissheit einen verlässt, dass die vorfreude nicht sinnlos war, der moment, der der enttäuschung mit jedem blick auf die uhr, mit jeder verstrichenen minute mehr platz einräumt, in dem das "ich warte" zum "du lässt mich warten" wird - noch schlimmer zum imaginierten zugekehrten rücken ist der schritt in die hölle des zweifels, der angst - verhaltensangst ("was soll ich tun?"), erwartensangst.
angst dabei sich zu ertappen beim warten auf godot.
"Warten lassen: ständiges Vorrecht jeder Macht, jahrtausendealter Zeitvertreib der Menschheit."
R.B. ebd.
oberste perversion: warten auf den augenblick, an dem das (er)warten wieder sinn macht ...
Nova antwortete am 20. Feb, 09:15:
Warten ...
... da fällt mir immer das hier ein: A Telephone Call von Dorothy Parker.
Liebe Grüße,
Nova
synopsis meinte am 20. Feb, 09:22:
...manchmal scheint mir,bist es d u, die für mich schreibt -
weil ich es nicht mehr kann.
(des wartens ausgebrannt)
danke dafür.
june antwortete am 20. Feb, 12:38:
jemanden,
der einem die worte aus dem mund nimmt, die sich nicht und nicht finden, fangen, fest-schreiben lassen, finde und fand ich auch immer wieder.ich denke, ich kenne das gefühl, und freue mich, das auch mal jemandem zu schenken.
june meinte am 20. Feb, 12:45:
gestern noch ...
"oberste perversion: warten auf den augenblick, an dem das (er)warten wieder sinn macht ... "
kaum geschrieben, schon klappte er auf, der posteingang, dunkel markiert, der ordner.
herzklopfen.
ein gefühl, wie ihm ganz unerwartet plötzlich gegenüber zu stehen.
und ich, ich trug meinen schemel wieder brav an seinen platz zurück.
eria antwortete am 20. Feb, 12:50:
weiterhin viel geduld frau june. meinen schemel hab ich brav verschmissen. knabbere mich jetzt mal durch einen dunklen raum an leere....
june antwortete am 21. Feb, 07:01:
ich wünsche ihnen einen wunderbar sonnigen nächsten platz für ihren schemel, frau eria, einen, an dem es sich lohnt immer wieder ein wenig zu warten.ich wünsche ihnen einen garten, kein schlachtfeld - und meiden sie den mittelstreifen der autobahn. ;)
june antwortete am 21. Feb, 10:57:
was die geduld betrifft
ich gestehe, heute ermüdet es mich einfach nur, heute bewegt es sich auf der kippe zwischen unendlicher langeweile und nervenzermürbender gereiztheit - the waiting-game.schemel zu vermieten.
mietkosten inklusive: vier meter starke nerven.